Über Schnee, Anstrengungen und Hoffnungen – Alpine Climate Summit 2025
„Ihr steht hier auf einer Endmoräne; hier lag der Gletscher also vor gut 150 Jahren als er seinen letzten Höchststand erreichte“.
Zitat: Laura Wallbömer – Geographiestudentin und Teamerin des Kaiserplatzes beim Alpine Climate Summit 2025
Es ist ein typischer Alpen-Frühlingsmorgen. Es ist kühl, die Bergflanken sind mit Neuschnee bedeckt, der in der Nacht gefallen ist und die Sonne versucht sich durch die dichte Wolkendecke zu kämpfen. Wir stehen mit Laura, einer Geographiestudentin in Mitten eines typischen Trogtals und lauschen ihren Erklärungen zur Entstehung dieses sehr ursprünglichen Tals, das immer wieder durch das Vor- und Zurückfließen eines Gletschers über Jahrtausende hinweg geformt wurde. „Ist das dort oben nicht eine Seitenmörane?“ fragt eine Schülerin, worüber sich nicht nur die Lehrer freuen, sondern auch Laura mit einem strahlenden Geographinnen-Lächeln antwortet: „Ja genau – super erkannt!“. Sie wirft direkt eine Frage hinterher: „Woran hast du sie denn erkannt?“ Die Schülerin antwortet prompt: „Das Material ist unsortiert – bei einem Schuttkegel würden die großen Steine ganz unten und die kleinsten ganz oben liegen.“
Wir wandern weiter. „Ihr müsst spätestens um zwölf Uhr das Joch überqueren“ sagte der Hüttenwirt der Schweinfurter Hütte am Abend zuvor als wir dem Deutschlandfunk noch ein Interview gaben, in dem wir von unseren bisherigen Eindrücken und noch kommenden Erlebnissen berichteten. Niemand hat es ausgesprochen, aber allen war klar, dass wir es niemals bis zwölf Uhr schaffen würden. Ein Wanderer kam uns entgegen, der uns versprach durch den gut 30 Zentimeter hohen Neuschnee sichtbar vorgespurt zu sein, sodass wir den Weg zum Joch gut erkennen würden.
„Meine Beine tun weh“, „Der Rucksack ist so schwer“, „ich kann nicht mehr“. Nach gut sechs Kilometern horizontaler Wegstrecke und gut 600 Höhenmetern keine verwunderlichen Anmerkungen von Seiten der Schüler:innen. „Ich habe gute Nachrichten: Dort seht ihr schon das Joch“ sagt einer der Lehrer motivierend zu den 13 Wandernden, obwohl er wusste, dass es noch ein harter Weg bis dorthin sein würde. Auch das wussten wahrscheinlich alle doch auch das sprach niemand aus. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits 11:50 Uhr. Immer wieder hielten wir an, damit die Truppe zusammen blieb. Alle sprachen sich Mut zu und boten sich gegenseitig Hilfe an. „Ich kann deinen Rucksack tragen, wenn du willst.“. „Nein, dass schaffe ich alleine!“. Der Himmel zog sich wieder zu, das Joch wurde von einer dichten Nebelwand verdeckt und es fing wieder an zu schneien. Es war still – man hörte nur die Wanderschuhe, wie sie immer wieder rhythmisch in den Tiefschnee einsanken. Doch dann sah man plötzlich Laura, wie sie strahlend ihre Wanderstöcke in den Himmel riss und der Gruppe zurief „WIR haben es geschafft“ und das, obwohl die Uhr bereits 14 Uhr schlug. Jubel, Tränen, Freude und maximale Erleichterung es geschafft zu haben waren der Kaiserplatz-Truppe nicht nur anzusehen; man konnte sie auch deutlich spüren. „Ey… ich habe hier LTE!“ rief ein Schüler und lenkte die Truppe sofort von der romantischen Berglandschaft ab. Alle Smartphones wurden gezückt. WhatsApp-Nachrichten der letzten Tage wurden gelesen und beantwortet, Mütter angerufen und Videocals mit Freund:innen abgehalten bis jemand rief: „Mir ist kalt! Können wir bitte weitergehen!?“. „Ja klar, aber erst nachdem wir ein Gruppenfoto gemacht haben.“ forderten die Lehrer freudestrahlend.
Nun ging es weiter den Berg hinab, bis zur Winnebachseehütte, die noch lange auf sich warten ließ. Doch als sie plötzlich zu sehen war, ganz einsam an einem Wasserfall und einem Bergsee gelegen in einer unwirklichen Welt, merkte man sofort, dass der Duft des guten Hüttenessens und der Hoffnung auf eine warme Dusche und ein kuscheliges Bettenlager die müden Beine nochmal ordentlich in Schwung brachte.
Nachdem die wir die Hütte erfolgreich bezogen, uns geduscht, den Bauch vollgeschlagen und eine Nacht erholsamen Schlaf hinter uns gebracht hatten, stiegen wir wieder in unsere noch warmen Wanderschuhe, zogen unseren Rucksack auf und wanderten den Bachfallferner an. Auf dem Weg dorthin wurden ausgelassen Geschichten erzählt, Schneebälle geworfen und die Landschaft studiert. Mit Stolz registrierten Laura und die Lehrer, dass die Schüler:innen das gewonnene Wissen der letzten Tage richtig gut anwenden konnten.
Als wir am Gletscher ankamen, blieben wir etwas still und ließen die atemberaubende Umgebung auf uns wirken. Ein großer Teil der Truppe stand noch nie am Fuße eines Gletschers. Die ersten bemerkten aber schnell, dass sie nicht dort standen, wo die Gletscherzunge laut der Karte, die am Morgen analysiert wurde, eigentlich enden müsste. „Sie liegt viel weiterhinten!“ sagte ein Schüler. „Das überprüfen wir sofort.“ versprach Laura und zückte ein GPS-Gerät aus ihrem Rucksack. Kurz erklärte sie allen wie das Gerät funktioniert. Jeder, der wollte, konnte an der Eiskante nun einen GPS-Punkt setzen, den sich dann alle notierten. Dabei sank man oft tief in den sehr matschigen und durchnässten Boden ein, was alle sehr belustigte.
Im Anschluss wertenden wir die gewonnen Daten aus, indem wir sie mit unseren Werten des Morgens verglichen. Das Ergebnis ist, dass sich der Bachfallferner seit 2015 um ca. 340m in der Horizontalen zurückgezogen hat und um rund 85m in der Vertikalen geschrumpft ist. „Über uns wären 2015 noch 85m Eis gewesen? -Wow!“ stellten mehrere Schüler:innen erstaunt fest.
Trotz der teils erschreckenden Erkenntnisse, die wir über die Veränderungen im Hochgebirge aufgrund des fortschreitenden Klimawandels gewinnen konnten, sind wir auch mit vielen positiven Eindrücken und Gefühlen nach Hause gekehrt, die uns Hoffnung geben.“
„Auch wenn wir sehen und wissen, dass die Welt sich ändern wird, ob im positiven oder negativen Sinne, sollten wir nicht vergessen, das Leben, was vor uns liegt zu schätzen und glücklich zu leben.“
Zitat: Ein/Eine teilnehmender/teilnehmende Schüler/Schülerin
„Du kannst etwas ändern, selbst, wenn es dir vorkommt, als wärst du nur ein ganz kleiner Teil der Welt, trägt jede kleine Entscheidung von dir der Umwelt bei.“
Zitat: Ein/Eine teilnehmender/teilnehmende Schüler/Schülerin
Autor: Martin Hinkelmann