Entstehung der Gesamtschule Kaiserplatz

Um den Kaiserplatz herum gab es bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kein bebautes Wohngebiet wie heute, sondern lediglich einzelne verstreute Siedlungen. Ab 1850 wurden in dem vormaligen Waldgebiet Wohnbezirke gebildet, die im Jahre 1889 den Bau einer Volksschule erforderten. Diese war ursprünglich von Wiesen und Feldern umgeben und auf dem Schulhof befanden sich einige Obstbäume sowie eine Hecke, um die Mädchen von den Jungen zu trennen, die ohnehin separate Klassen besuchten. Die damals übliche Aufteilung zwischen „niederen“ und „oberen“ Schulen erklärt das eingeschränkte Lehrangebot ebenso wie die schlichte stereotype Bauweise aus Ziegelsteinen.

Im Oktober 1889 wurde der Schulbetrieb der Katholischen Volksschule am Kaiserplatz mit drei LehrerInnen und 150 Kindern aufgenommen. Die SchülerInnen stammten vorwiegend aus sozial benachteiligten Verhältnissen und erst im Laufe der Zeit auch aus der unteren Mittelschicht. Die Schülerzahl stieg stetig an, so dass kurz vor dem ersten Weltkrieg ca. 500 SchülerInnen die Schule besuchten und Klassen mitunter aus 80 Kindern bestanden. Um die wachsende Raumnot bewältigen zu können, wurden zusätzlich zeitweilig Baracken auf dem Schulhof errichtet.

Die Wirtschaftskrise und die beiden Weltkriege gingen nicht spurlos an der Volksschule am Kaiserplatz vorbei. Erst in den 50er Jahren normalisierte sich der Schulbetrieb und das Gebäude wurde umfänglich saniert. Durch das erhöhte Verkehrsaufkommen musste der Haupteingang aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Die anhaltende Raumnot und der Bedarf an Fachräumen führten erst in den 60er Jahren zur Errichtung des Erweiterungsbaus an der Stelle der ursprünglichen Hauptlehrerwohnung. Im Jahre 1976 entstand die große Sporthalle, als die Volksschule bereits zur Hauptschule umgewidmet worden war. Dies geschah im März 1968, als die Volksschulen in Nordrhein-Westfalen in Grund- und Hauptschulen unterteilt wurden. Die Gemeinschafts-Hauptschule Kaiserplatz nahm in der Folge nur noch SchülerInnen der Jahrgänge 5-9, später auch 10 auf, und wurde erst mit der Gründung der Gesamtschule 1986 aufgelöst.

Auf der gegenüber liegenden Seite der Friedrich-Ebert-Straße wurde 1954 die bereits 1875 gegründete Mädchenrealschule Marianne-Rhodius neu erbaut, die vorübergehend in einem anderen Schulgebäude untergebracht wurde, nachdem das ursprüngliche Gebäude in der Nordstraße im Krieg zerstört worden war. Die Namenspatronin hatte als Erbin einer Fabrik zahlreiche soziale Zwecke unterstützt und galt als die größte Wohltäterin Krefelds. Die Pläne für den Neubau ergaben sich aus den stark angewachsenen Anmeldezahlen für Realschulen und sollten von vornherein nach modernster Architektur und fortschrittlicher Pädagogik entwickelt werden. Das große freie Gelände am Kaiserplatz bot die ideale Voraussetzung zur Errichtung dieser „Musterschule“. Die bauliche Konzeption sah in sich geschlossene Gebäudegruppen vor, die angesichts der Größe der Schule den Eindruck eines Massenbetriebes vermeiden sollten. So wurde der gesamte Schulkomplex von einer Mauer umgeben, ergänzt von kleinen Gärten und Bäumen. Besonders interessant ist die Baugruppe Richtung Westen, wo sich bis heute das Lehrerzimmer mit einem eigenen, von einem Wandelgang eingegrenzten Gartenhof befindet, der als abgeschiedener Rückzugsraum dienen sollte. Die Pavillonklassen, die aus einem Vorraum, dem Klassenraum und einem Gruppenraum bestehen, verfügen zudem über einen angrenzenden Garten und bilden somit eine eigenständige Einheit. Der Architekt verstand diesen ebenerdigen Baublock als „Heimklasse“, wobei der eigentliche Klassenraum durch Oberlichtbänder die Nebenräume überragt. Diese architektonische Konzeption sollte bewusst dezentrale Gruppeneinheiten ermöglichen an Stelle der bisherigen frontalen Unterrichtsstruktur. Diese progressiven Ideen gehen auf Grundgedanken des Staatlichen Bauhauses in Weimar zurück. Im Juni 1956 fand die Einweihungsfeier statt und nach 13 Jahren hatte die städtische Realschule mit 900 Schülerinnen wieder ein eigenes Schulgebäude.

Im Juli 1981 trat ein Schulverwaltungsgesetz in Kraft, wonach die Gemeinden zur Errichtung von Gesamtschulen verpflichtet wurden, wenn das Bedürfnis seitens der Erziehungsberechtigten dazu bestand. Dieses Gesetz wurde häufig in vielen Gemeinden aus schulpolitischen Gründen unterlaufen. Auch in Krefeld fand eine sehr kontroverse bildungspolitische Diskussion darüber statt und die BefürworterInnen dieser neuen, auf Chancengleichheit, Durchlässigkeit und soziale Integration ausgerichteten Schulform und die BewahrerInnen des herkömmlichen dreigliedrigen Schulsystems standen sich teilweise unversöhnlich gegenüber. Schließlich wurde im Schuljahr 1985/86 in den beiden oberen Jahrgängen der Grundschulen in Krefeld eine Elternbefragung durchgeführt. Die Auswertung sollte auch zeigen, in welchen Stadtteilen die meisten GesamtschulbefürworterInnen wohnten, um die Frage nach dem Standort zu klären. Das Ergebnis fiel eindeutig zugunsten der neuen Schulform und zu Lasten der Hauptschulen aus, so dass rein numerisch sogar mehr als eine Gesamtschule geplant werden musste. In der Folge wurde eine Diskussion darüber entfacht, welche Schulen konkret zu einer Gesamtschule umgewidmet werden sollten, wogegen einige sich allerdings vehement wehrten. Am 22.10.1985 fand eine sehr hektische Schulausschusssitzung statt, bei der die verschiedenen Meinungen auf Transparenten vertreten wurden und sogar ein Polizeiaufgebot bestellt worden war. Bereits hier war der heutige Standort in der Diskussion, der Ausschuss entschied sich allerdings für das Gebäude der Gemeinschaftshauptschule Rote-Kreuz-Straße unter dem Vorbehalt, dass beim Anmeldeverfahren die Mindestanzahl von 112 SchülerInnen erreicht werden würde. Tatsächlich lag die Zahl dann bei 114 Anmeldungen und die Diskrepanz zu der vorherigen Elternbefragung lässt sich damit erklären, dass die Eltern den Standort noch nicht kannten und keine Aussicht auf einen Ganztagsbetrieb bestand. Am 8. September 1986 zogen schließlich die ersten SchülerInnen in vier Klassen in die 1. Städtische Gesamtschule in die Rote-Kreuz-Schule ein. Damals wurde die bis heute bestehende Tradition eingeführt, dass die Kinder Luftballons mit Grußkarten steigen ließen. Die Anmeldezahlen stiegen in der Folge rasant an und lagen für das Schuljahr 1986/87 bereits bei 186 Kindern. Da zugleich die Anmeldungen für die GHS Kaiserplatz und die Marianne-Rhodius-Realschule deutlich sanken, beschloss der Rat der Stadt Krefeld, die Gesamtschule auf sechs Züge zu erweitern und in ihr heutiges Domizil umziehen zu lassen. In den darauf folgenden Jahren wurde das Gebäude durch die Brücke und Neu- und Anbauten erweitert und der Standort Rote-Kreuz-Straße aufgegeben.